Humor, Freudepsychologie, provokative Therapie
Humor ist ein wichtiger Teil der Grundhaltung in der Einzelarbeit, in der Seminarleitung und im Leben.
Wir verstehen unter Humor die Bereitschaft, innerlich einen Schritt zur Seite zu treten und ein ernstes Geschehen mit einem Augenzwinkern oder einem herzhaften Lachen zu betrachten.
Humor ist die Fähigkeit, spontan Abstand zu nehmen von der Ernsthaftigkeit einer Situation und einen überraschenden und erheiternden Perspektivwechsel zu vollziehen.
Beispiel
„Heulen mit Stil“: Die Klientin bricht im Coaching in Tränen aus. Anspannung, Sorge und Überforderung, die mit Fassung zurückgehalten wurden, lösen sich im Weinen. Der Coach reicht eine Kiste mit Taschentüchern: „Schau mal, hier ist die Heulbox.“ und einen kleinen Papierkorb mit grauen Zier-Puscheln außen dran: „Und zum entsorgen direkten entsorgen, dann musst Du Dir die Rotzdinger nicht in die Hosentasche ste-cken.“ Die Klientin freut sich über die Zier-Puschel außen an dem Mülleimer. Es entsteht der Aus-druck „Heulen mit Stil.“ Beide lachen. Dann geht es zurück zum Thema.
Aspekte von Humor im therapeutischen Kontext und im Coaching
Haltung
Voraussetzung für das Gelingen von Humor im Begleitungskontext ist die Grundhaltung von An-nahme und Zutrauen. In der Beratung haben wir eine asymmetrische Beziehung. Der Klient offenbart sich mit seinen zarten Seiten, Nöten und Hoffnungen. Die Coacherin hingegen zeigt nur selektiv persönliches von sich und wirkt in diesem Kontext stärker. Grade dann ist es wichtig, dass die Beziehungsebene stimmt, damit Humor keinen schrägen Beigeschmack bekommt und nach Lustigmachen oder nicht-ernstnehmen klingt. Scherzen funktioniert nur, wenn wir unser Gegenüber von Herzen annehmen können und das Vertrauen haben, dass sie oder er die Situati-on meistern wird. Auch wenn wir selbst noch nicht wissen, wie genau das gehen kann.
Beziehungsebene
Voraussetzung ist die Einstimmung, der Rapport. Klientin und Coach finden eine gemeinsame Sprachebene und reagieren aufeinander nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Mimik, Gestik und Körperhaltung. Pacing und Leading ist unsere Weg, diese gemeinsame Ebene Zug um Zug zu halten, zu erweitern und zu bespielen. Auch im Humor. Mit der einen Klientin geht schwarzer Humor gut, mit dem nächsten Coachee ist es eher Situationskomik, während er auf Sarkasmus zurückhaltend reagiert. Wir nehmen den Humor unserer Klienten auf und probieren aus, wo es eine Schnittmenge mit unserem gibt. Gemeinsames Lachen ist eines der wirksamsten sozialen Schmiermittel. Es verbindet sofort auf allen Ebenen.
Wirkung von Humor im Coaching
Verbindender Kontakt ist die Kernvoraussetzung für gelingende Begleitung. Es ist die Basis auf der eine Klientin bereit ist, innerlich auch dort zu forschen, wo das Eis dünn ist oder der Boden morastig. Und grade in besonders kritischen Momenten ist spontanes gemeinsames Lachen ein grandioser Spannungslöser. Allein körperlich löst sich die Spannung durch die Zwerchfellbewegung und die vertiefte Atmung. Die Haltung lockert sich. Körperlich und auch mental. Grade in scheinbar auswegslosen Situationen, in denen wir das Gefühl haben, uns nur resigniert ergeben zu können oder mit allen Kräften gegen das Schicksal anzukämpfen, öffnet das Lachen einen dritten Weg. Humor ist die innere Freiheit, über den Dingen zu stehen. Sich selbst anzunehmen und über die eigene Verkorkstheit zu lachen. Die Fähigkeit, darüber noch einen Witz zu machen gibt uns unsere Würde zurück und mit ihr ein Gefühl von Souveränität. Wir entspannen uns ein Stück, werden innerlich weiter und bekommen einen neuen Blick, neue Kreativität auch. Ein Perspektivenwechsel wird möglich und damit auch Wege des Umgangs mit der Situation. Humor ist ein sehr eleganter und gesunder Abwehrmechanismus in schwierigen Momenten.
Die Qualität des Narren
Der Narr ist archetypisch betrachtet der einzige am Hof, der auch die unbequeme Wahrheit sprechen darf und nicht dafür geköpft wird. Diese Qualität kommt in’s Spiel, wenn der Klient bereit wird, über die Regeln oder das Drama an seinem „inneren Hofstaat“ zu lachen. Der Ansatz der Provokativen Therapie ist es, durch beherztes humorvollen Stochern in den widersinnigen Konzepten und Verhaltensstrategien des Klienten seine eigene Einsicht in die Absurdität seiner un-bewussten Annahmen zu wecken und seinen gesunden Widerstand gegen seinen eigenen Unsinn zu aktivieren.
Besonderheiten in der CoreDynamik
Bernhard Mack definierte die CoreDynamik in seinem letzten Buch „40 Tore in’s Lebendigsein“ als Freudepsychologie. Unser Anliegen ist es, Raum zu schaffen, Weite zu ermöglichen und Beweglichkeit. Auf der Basis einer Stabilität, die aus der Verbindung mit unserem Kern, unserem Core gespeist ist. Lachen verbindet uns sofort mit unserem heilen Kern. CoreDynamiker sind Spezialisten darin, den Kontakt zum Klienten zu gestalten und mit hoher Präsenz zu pulsieren. Zwischen dem Annehmen des Schweren und dem plötzlichen Auftauchen des Leichten darin. Unsere Haltung ist, dass es nichts gibt, worüber nicht gelacht werden dürfte. Es darf gerne auch provokant zugehen, vorausgesetzt die Einstimmung ist gegeben.
Hier weiter lesen
Mack, Bernhard (2011): 40 Tore in’s Lebendigsein. Eine Anleitung zur Freude. Ibera-Verlag, Wien
Autorin des Artikels: Christina Hennig, 2019