Feld, wissendes Feld, morphisches/morphogenetisches Feld
Ausbildungsseminar 2.2: Gruppe, Familie, Team
Als Feld bezeichnen wir die Ausstrahlung des Einzelnen, sowie die Verbindung von Individuen durch biografisch oder raumzeitlich bedingte Zugehörigkeit zu einer Gruppe auf energetischer Ebene, welche sowohl die Dynamik dieses Gruppensystems wie auch Wirkaspekte der Einzelnen enthält.
In der Wissenschaft setzt sich immer mehr die holistische Sicht des Universums durch, d.h. die Erkenntnis, dass alles miteinander verbunden ist. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des Feldes in verschiedenen Wissenschaftsbereichen wie der Biologie, der (Quanten-)Physik und der Soziologie diskutiert. Bis heute umstritten ist der Feldbegriff des Biologen Rupert Sheldrake, der davon ausgeht, dass sich die präzisen Abläufe in der Biologie, z.B. das Heranreifen eines Baumes aus einer winzigen Samenzelle, nicht allein durch genetische Steuerung erklären lassen. Er nimmt Felder an, die „gewissermaßen unsichtbare Pläne oder Blaupausen für die verschiedenen Organe und für den Organismus als Ganzen“ (Sheldrake 2006) enthalten und nennt diese Felder „morphogenetische“ Felder. Übertragen auf Systeme in anderen Bereichen nennt Sheldrake solche Felder „morphische“ Felder (Der griechische Wortstamm „morph“ bedeutet Gestalt, Form). Hier unterscheidet er Verhaltensfelder, mentale Felder und soziale Felder.
Die Verbindung zwischen dem Einzelnen und den morphischen Feldern wird nach Sheldrake durch die morphische Resonanz hergestellt, was bei ihm Gleichschwingung ähnlicher Formen über Zeit und Raum hinweg bedeutet. Je häufiger eine Form aufgetreten ist, desto wahrscheinlicher wird ihre erneute Bildung und desto schneller läuft der Vorgang ab. Über diese Resonanz findet der Informationsaustausch in Form einer wechselseitigen Beeinflussung statt. Das Individuum einer Art kann im Feld auf das kollektive Gedächtnis seiner Art zurückgreifen und trägt gleichzeitig über seine Erfahrungen zu den Inhalten bei, die in diesem Gedächtnis gespeichert sind. Über die morphische Resonanz lassen sich generationenübergreifende Muster in Familien erklären. Sie können durch neue Handlungsweisen ersetzt werden, die wiederum durch morphische Resonanz dem „Familienfeld“ zur Verfügung gestellt werden.
Wir gehen von der Existenz des wissenden Feldes aus und beziehen es bewusst ein, wie z.B. bei der Arbeit mit den Archetypen, bei systemischer Familien- oder Gruppenaufstellung, bei Atemreisen oder auch im therapeutischen bzw. Coaching-Prozess. Dieses Einbeziehen geschieht durch das bewusste Erweitern des individuellen Bewusstseins in eine offene Haltung des „Nicht-Wissens“ hinein. Im Anerkennen dessen, dass unser Verstand nur einen sehr begrenzten Ausschnitt der Wirklichkeit erfassen und verarbeiten kann, öffnen wir uns für Wahrnehmungen und Impulse, die wir sonst nicht erfasst hätten, weil sie nicht in unser bewusstes Konzept passen und die wir deshalb übergangen hätten, da sie sich auf Anhieb möglicherweise nicht rational begründen lassen, obwohl sie sich stimmig anfühlen. Diese Impulse beziehen wir in das Prozessgeschehen ein und geben damit die Möglichkeit, sie auf ihre Validität hin zu überprüfen. So kann der Therapeut z.B. bei einer Aufstellungsarbeit den Aufstellenden fragen: „Und wie ist es, wenn die Mutter einen Schritt nach links geht?“ Der Aufstellende entscheidet, ob er diesem Angebot folgen möchte und prüft, welche Veränderung sich im Empfinden des Systems dadurch ergibt. Der Therapeut kann diese Eingebung aus einem Eindruck der natürlichen Ordnung der Familie ziehen oder sie entsteht rein intuitiv. Da wir in der CoreDynamik davon ausgehen, dass der Klient Experte für seine Realität ist, und ihm die entsprechende Autonomie in der Prozessgestaltung zusprechen, können wir frei unsere Intuition einbringen, ohne uns gedanklich mit dem Zweifel zu blockieren, ob sie „richtig“ ist.
Eine besondere Rolle spielt dabei im Rahmen der CoreDynamik der bewusste Umgang mit Projektionen. Wir trainieren die Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Konzepte, um Unterscheiden zu lernen, ob wir uns von diesen zu einem Impuls bewegen lassen, oder ob es sich tatsächlich um eine Intuition handelt, die aus dem Prozess entsteht, den wir gerade begleiten. Ein aktiver Schritt ist das „sich leer machen“ vor Beginn einer Aufstellung oder einer vergleichbaren Arbeit, um Konzepte und Gedanken loszulassen und der Intuition Raum zu geben. Ein anderer ist die Beziehungsklärung, die in der CoreDynamischen Didaktik vor den Familienaufstellungen in der Ausbildung steht und damit einige Verstrickungen klärt und zugleich alle Beteiligten für die persönliche Beziehungsdynamik sensibilisiert.
Bei der Arbeit mit den Archetypen gehen wir davon aus, dass jeder Mensch grundsätzlich in der Lage ist, sich über das Feld des kollektiven Unbewussten mit den Urqualitäten z.B. des archetypischen Kindes, des Mannes, der Königin oder auch des Kriegers zu verbinden und damit diese Qualitäten in sich selbst zu aktivieren. Dies ermöglicht es uns, unser Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Verhaltensspektrum über den persönlichen Erfahrungsrahmen hinaus zu erweitern.
Ein sehr besonderes Feld entsteht bei den Atemreisen durch die vielfältige Verbindung der im Raum reisenden Menschen, die einerseits ihren Aufmerksamkeitsfokus durch konsequent geschlossene Augen sehr bewusst auf ihr inneres Erleben lenken und die andererseits gemeinsam den Spannungsbogen durchleben, der durch den rituellen und bekannten Ablauf bekannt und durch die Musikauswahl dramaturgisch begleitet und verstärkt wird. Das entstehende Kraftfeld setzt sich zusammen aus dem biografisch und intuitiv geprägten Erleben des Einzelnen, das er über Ausdruck in Bewegung und Stimme in die Gesamtdynamik der Gruppe einbringt, deren Mitglieder sich gegenseitig impulsieren, verstärken und energetisch tragen. Ein weiterer tragender Faktor ist der sichere Raum, oftmals getragen durch eins zu eins - Begleitung bei Atemreisen, die es den Reisenden ermöglicht, die Kontrolle im Außen abzugeben und sich ganz auf das Erleben und den Ausdruck einzulassen, ja sich dem eigenen und dem Gesamtprozess hinzugeben. Die Reiseberichte erzählen über Generationen von Teilnehmern davon, wie dieses Feld den Zugang zum kollektiven Unbewussten und der Ebene des archetypischen Erlebens öffnet, sowie auch zu dem einen und immer gegenwärtigen Raum des menschlichen Seins und Verbundenseins mit dem Urgrund der Lebendigkeit.
Yolande Jacobi 1959. Die Psychologie von C.G.Jung - Eine Einführung in das Gesamtwerk mit einem Geleitwort von C.G. Jung. Zürich: Fischer Taschenbuch
Peter Klein und Sigrid Limberg-Strohmaier, 2012. Das Aufstellungsbuch. Familienaufstellung, Organisationsaufstellung und neueste Entwicklungen. Wien: Braumüller.
Michaela M. Özelsel, 1993. 40 Tage- Erfahrungsbericht einer traditionellen Derwischklausur, München
Hans-Jurgen Maurer und David Servan-Schreiber, 2006. Die neue Medizin der Emotionen – Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente. München: Verlagsgruppe Random House GmbH
Autorinnen dieses Artikels: Christina Rakebrandt und Dr. Conny Stroh