Beziehungsarchetypen

Schlagworte

Paare, Beziehung, Archetypen

Einsatz in der Coredynamik

Ausbildungsseminar 2.1 – Paarseminar

Definition

Beziehungsarchetypen sind grundlegende Einstellungs- und Verhaltensmuster in Partnerschaften*, die kultur- und epochenübergreifend in Märchen, Mythen, Dramen und Komödien aufgegriffen und inszeniert wurden und die in der Paarberatung der Diagnose und der Bearbeitung von Paardynamiken dienen können.

Erläuterung

Shiva und Shakti

Dieses berühmte Paar entstammt einem hinduistischen Schöpfungsmythos (vgl. Kast S. 25ff.)
Qualitäten: Verschmelzung, gegenseitige Hingabe, Ruhe und feine Intensität und Dichte, sich einschwingen auf eine gemeinsame, feine Frequenz, sich gegenseitig nähren, Vertrauen und Grenzen loslassen, der Kontakt mit der Außenwelt ist Störung und Erlösung zugleich, da man sich trennt

Schatten: Konfluenz, Verlust der eigenen Identität, der Individuation und Ausweichen der persönlichen Profilierung

Tristan und Isolde

Die Herkunft dieser mittelalterlichen Legende um das junge Paar, das sich nacheinander verzehrt und doch nie zueinander findet, könnte keltischen, germanischen und orientalische Wurzeln haben.

Qualitäten: Sehnsucht, Idealbild, Romantik, Poesie, sich ausdehnen in eine Möglichkeit hinein, Fantasie

Schatten: dem Kontakt ausweichen, Projektion, sich verlieren in Traumbilder, nichts nehmen müssen/können, im Vorkontakt bleiben, Flucht aus der Realität in eine Fantasiewelt

Pygmalion

Die Geschichte um Pygmalion, der sich eine Frau nach seinem Idealbild formt, geht zurück auf den römischen Dichter Ovid, wurde jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts von dem irischen Dichter George Bernhard Shaw modern Inszeniert (vgl. Kast S. 56).

Qualitäten: Hinwendung, gestalten wollen, genaues Hinsehen, Potenzial erkennen und fördern, Führung übernehmen, Energie zuführen

Schatten: Doppelbotschaft von Verehrung und Abwertung lähmt das Gegenüber, totale Projektion des Idealbildes, Macht, Kontrolle, Sadismus

Ishtar und Tammuz

Der sumerische Mythos, der diesem Beziehungsmodell seinen Namen gibt, steht im Kontext einer matriarchalen Gesellschaft, in der die reife Mutter- und Liebesgöttin ein Gegenüber in ihrem dynamischen Sohngeliebten findet (vgl. Kast S. 71).

Qualitäten: Einführen in die Liebe, Schenken von jugendlicher Kraft, Profitieren von der großen Unterschiedlichkeit. Der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen durch das Kombinieren der Qualitäten zweier verschiedener Reifestufen im Leben: Jugendlichkeit und Erfahrung

Schatten: Überbemutterung, besitzergreifende und verschlingende Mutter, nicht seinen Mann stehen, Abhängigkeit von der Mutterfrau

Zeus und Hera

Aus der griechischen Mythologie kennen wir Zeus und Hera als ein mächtiges und ständig im Streit liegendes Paar (vgl. Kast S. 88).

Qualitäten: Energie durch Reibung, Kontakt durch Auseinandersetzung, Kräfte messen, Augenhöhe, den anderen als ebenbürtigen Partner fordern, sich gegenseitig die Bälle zuspielen

Schatten: Intention des Verletzens, fertig machen, Egozentrik, den anderen nicht mehr sehen, nur der Sieg zählt

Merlin und Viviane

Das junge Mädchen schenkt ihrem alten Geliebten ihre Jugend und bekommt dafür seine Zauberkraft (vgl. Kast S.104)

Qualitäten: Sie belebt ihn, er gibt ihr Wissen, Beständigkeit, Bodenhaftung und Macht. Der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen durch das Kombinieren der Qualitäten zweier verschiedener Reifestufen im Leben: Jugendlichkeit und Erfahrung

Schatten: Ausnutzen, Abhängigkeit, Verlust der Würde des Alters, Vergessen der Verantwortung, die Reife und Erfahrung mit sich bringen und die das Gebrauchen der Macht erfordert

Bruderfrau und Schwestermann

Eine Beziehungsform, in der es vor Allem um das Kreieren einer verlässlichen Beziehung auf Augenhöhe geht (vgl. Kast S. 146)

Qualitäten: Ebenbürtigkeit, verlässlich, tragfähig, auf Dauer ausgerichtet, an einem Strang ziehen, spüren und benennen der eigenen Bedürfnisse, Geborgenheit, Harmonie, Balance, Fairness, gegenseitige Förderung und Unterstützung

Schatten: Langeweile. Differenzierung, Spannung und Erotik können fehlen

Carmen und Don Juan

Diese beiden Figuren entstammen unterschiedlichen Geschichten und sind sich nie begegnet. Bei CoreDynamik bringen wir sie zusammen um die Erotik als primäres Beziehungsmotiv zu inszenieren.

Qualitäten: Erotik, viel Energie, spielerisch, entdeckungsfreudig, neugierig, risikobereit, zielorientiert

Schatten: Egozentriert, es geht mehr um das Erobern als um die Person, bindungsängstlich, Verweilen im Vorkontakt, Pseudokontakt ist besser als echter Kontakt, Gegenüber wird nicht wahrgenommen, keine erwachsene Begegnung

Besonderheiten in der CoreDynamik

In der CoreDynamik betrachten wir Dynamiken zunächst wertfrei und gehen davon aus, dass jede Tendenz Licht- und Schattenseiten hat. So werden hier die Qualitäten der Beziehungsarchetypen beschrieben. Der Schatten entsteht, wenn die Qualitäten übertrieben werden, wenn die Ich-Identität zu wenig ausgeprägt ist und wenn das Muster den echten Kontakt überlagert / vermeidet.

Die Beziehungsarchetypen sind ein diagnostisches Instrument in der therapeutischen Arbeit mit Paaren.

Hier weiterlesen

Doris Müller, 2001. Dramatherapie als Kreativitätstraining und Bewusstseinsklärung, in: Bernhard Mack (Hrsg.), CoreDynamik. Wege zum Kern. Paderborn: Junfermann, S. 152-159

Verena Kast, 1984. Paare. Beziehungsphantasien oder wie Götter sich in Menschen spiegeln. Stuttgart. Kreuz

Autorin dieses Artikels: Christina Hennig

* Gendern in der Sprache: Im Sinne der guten Lesbarkeit finden sich in den Beiträge mal die männliche, mal die weibliche Form für Klient*innen in wechselnder Kombination mit der männlichen oder der weiblichen Form von Berater*innen. Gemeint sind Menschen aller geschlechtlichen Orientierung.