Familienaufstellung

Schlagworte

Aufstellungsarbeit, Familienaufstellung, Familienstellen, systemisches Familienstellen, systemische Familienrekonstruktion, Pesso-Arbeit

Einsatz in der CoreDynamik

Ausbildungsmodul 2.2: Gruppe, Familie, Team

Definition

Die Aufstellungsarbeit stammt aus der systemischen Familientherapie. Die Struktur der Famlie oder einer Gruppe wird durch Positionierung der Beteiligten im Raum abgebildet. Beziehungsmuster und Konflikte zeigen sich, werden spürbar und können bearbeitet werden.

Erläuterung

Familienstellen wurde im Rahmen der systemischen Familientherapie in den USA der 50er Jahre entwickelt. Im Laufe der 70er und 80er Jahre entstanden mehrere Richtungen systemischer Therapie (Familientherapie von Virginia Satir, Heidelberger Schule um Helm Stierlin, Mailänder Modell um Mara Selvini-Palazolli), denen allen gemeinsam die Einsicht ist, dass individuelle menschliche Probleme nicht mehr nur als Eigenschaft einer einzelnen Person anzusehen sind, sondern auch als Ausdruck/Ergebnis von Beziehungsbedingungen in einem sozialen System (Familie, Paar, Gruppe, Team). Es wird davon ausgegangen, dass es nicht „eine richtige“ Wirklichkeit gibt, sondern dass jedes Mitglied eines Systems seine Wirklichkeit / seine Sichtweise entwickelt hat. Die Auswirkungen dieser individuellen Sichtweisen auf das soziale System gilt es in ihrer Wechselwirkung zu betrachten, um so Rollendefinitionen und -zuschreibungen sowie die damit verbundenen Verstrickungen innerhalb des Systems aufdecken zu können und Lösungsalternativen zu entwickeln.

So begann Virginia Satir in den 70er Jahren Familienskulpturen zu stellen, bei der in einer Therapiesitzung eine Einzelperson Familienmitglieder so im Raum positionieren, wie sie ihrem Gefühl nach zueinander stehen. Die aufgestellten Familienmitglieder werden nach ihren Körperwahrnehmungen und Gefühlen in der jeweiligen Position befragt. So können Beziehungskonstellationen und auch Konflikte in der Familie sichtbar werden. Beim Familienstellen stellt der Klient* im Unterschied zur Familienskulptur nicht die Familienmitglieder selbst auf und er gibt auch keine detaillierten Informationen zu den aufzustellenden Personen. Stattdessen werden Stellvertreter aufgestellt, die „repräsentativ“ Empfindungen des fremden Systems wahrnehmen und ausdrücken. Dies ist dadurch möglich, dass Impulse, die im „Familienfeld“ (zum Feldbegriff, siehe Eintrag „Feld, wissendes Feld, morphogenetisches/ morphisches Feld“) vorhanden sind, aufgenommen werden. So werden Dynamiken im „Familiensystem“ sichtbar gemacht. Dieses Sichtbarmachen bedeutet oft bereits Heilung für den Aufstellenden und löst eine Impulswelle aus, die durch das ganze System verläuft.

2001 machte Gert Höppner eine Wirksamkeitsstudie, in der er über fünf Monate 85 Klienten eines Aufstellungsseminars zu ihren Erfahrungen befragte: Auf die Frage, ob das Erleben einer Stellvertreterrolle beeindruckend war, antworteten 95,59 Prozent mit Ja, ob sie die Aufstellungsbilder als stimmig erlebt haben, 85,19 Prozent, ob die Aufstellung Kraft gab, 72,84 Prozent und ob die Aufstellung klärend wirkte, 80,25 Prozent. Die Verbesserung des psychischen und physischen Wohlbefindens führten die Befragten eindeutig auf die Aufstellungen zurück. Höppner schlussfolgerte, dass sich das innere Bild der Befragten wandele. Im Zuge der Aufstellung wurden Kindheitserinnerungen ergänzt, für Konflikte und Blockaden wurden Lösungen gefunden und das Selbstbild der Befragten verbesserte sich signifikant. Reinhard Hertel schloss, um die psychische Wirkung von Aufstellungen sichtbar zu machen, Teilnehmer von Aufstellungen ans EEG an. Er wollte Aufschluss darüber erlangen, ob sich die Gehirnwellenmuster der Probanden während einer Aufstellung veränderten. Es stellte sich heraus, dass beim Aufstellenden zu Beginn hauptsächlich die linke Gehirnhälfte aktiv war, also das Sprachenzentrum. Im Laufe der Aufstellung verlagerte sich jedoch die Hirnaktivität auf die rechte Seite. Der Diplompsychologe Hertel schloss auf eine verstärkte Verarbeitung von Emotionen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass beim Aufstellen des Stellvertreters dessen Hirnstrombild sich deutlich dem des Aufstellenden anglich. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass sichtbare Blockaden im EEG-Bild durch systemische Interventionen gelöst werden konnten.

Bert Hellinger entwickelte in den 1990er Jahren die „Klassische Familienaufstellung“. Er ging dabei von einer streng hierarchischen Ordnung der Familie aus. Sei diese Ordnung gestört, etwa durch Missachtung oder Ausschluss eines Familienmitglieds, könne dies Erkrankungen bei betroffenen Familienmitgliedern auslösen. Es gelte, die Ordnung wieder herzustellen. Kritisiert wurde Hellinger unter anderem wegen der publikumswirksamen Inszenierungen von Aufstellungen, wegen fehlender therapeutischer Nachsorge und der starken Einschränkung der Autonomie der Aufstellenden.

Aufstellung können in den verschiedensten Konstellationen und Formen als Methode eingesetzt werden. Bei der Organisations- oder Teamaufstellung werden nicht Familienmitglieder, sondern der Kollegenkreis aufgestellt. Weitere Varianten sind z.B. die Aufstellung eigener innerer Anteile (die Träumerin, die Controllerin, die Direktorin, die Liebende …) oder auch die Aufstellung eines Familiensystems mit den dazugehörigen Tieren.
Anstelle von Menschen als Stellvertretern können auch Kissen eingesetzt werden, Stofftiere oder Figuren. Eine weitere Form ist es, die gesamte Aufstellung mithilfe von Figuren am Tisch zu machen. Auch hier wird es möglich, die Position der Systemmitglieder zueinander von außen zu betrachten und mit diesem Abstand Dynamiken sichtbar und spürbar zu machen, die aus der Innensicht nicht so klar sind. Die emotionale Involviertheit ist geringer als bei der physischen Aufstellung des Systems, es entsteht eine größere Distanz. Das macht diese Methoden zum Beispiel im Rahmen eines Coachings im Unternehmen gegebenenfalls leichter anschlussfähig.

Besonderheiten in der CoreDynamik

Wir gehen davon aus, dass durch das Nacherleben alter, ungelöster Konflikte in der Ursprungsfamilie Gefühlsblockaden gelöst werden können. Ebenso wie Hellinger gehen wir von einem „wissenden Feld“ der Familie aus, grenzen uns aber in vielen Punkten von Hellingers Vorgehen beim Familienstellen ab. Wesentliche Unterschiede sind:

Kritischer Umgang mit der repräsentativen Wahrnehmung im „wissenden Feld“

Wir müssen uns bewusst sein, dass die Äußerungen der Wahrnehmungen von Gruppenteilnehmern bei Aufstellungen von vier Aspekten geprägt werden: von der jeweiligen Qualität eines Platzes (siehe Magie des Platzes), von der inneren Befindlichkeit der Person, die an diesem Platz steht, von der inneren Befindlichkeit der gegenüberstehenden Person sowie von dem im Raum stehenden Thema. Die jeweiligen Äußerungen der Stellvertreter müssen also unter Berücksichtigung dieser vier Aspekte betrachtet und nicht als unumstößliche Wahrheit angesehen werden, die aus dem Inneren kommt (wie bei Hellinger). Daher legen wir in der CoreDynamik-Ausbildung Wert darauf, vor dem Familienstellen die Beziehungen innerhalb der Gruppe zu klären, damit Verstrickungen und Projektionen aus dieser Ebene die Aufstellungen nicht unbewusst färben.

Führung der aufstellenden Person

In der CoreDynamik stellt die aufstellende Person selbst die Familienmitglieder so, wie es für sie stimmig ist und sie formuliert die Sätze, welche von den Stellvertretern im Familiensystem ausgesprochen werden. Durch die Formulierung eigener Sätze ist eine tiefere emotionale Involvierung der aufstellenden Person möglich. Es wird auf die Intuition der Aufstellenden vertraut, Interventionen der Gruppenleitung sowie Impulse der Stellvertreter werden als Angebote verstanden. Die aufstellende Person hat während der gesamten Aufstellung die Führung.

Heilung durch Nachnähren (Pesso-Arbeit)

Wir gehen in der CoreDynamik davon aus, dass es Grundbedürfnisse nach einem stimmigen Platz im System, nach Nahrung, Schutz, Unterstützung und klaren Grenzen gibt. Werden diese Bedürfnisse in der frühen Kindheit nicht in ausreichender Form befriedigt, entstehen Gefühle wie Verunsicherung, Mangel, Angst, Aggression, Resignation und Frustration. Albert Pesso und Diane Boyden Pesso haben in den 60er Jahren die sogenannte Pesso-Therapie entwickelt, in der durch „szenische Reinszenierungen“ schwierige biografische Vorerfahrungen durch heilende „Neuerfahrung“ (auf verbaler, körperlicher oder emotionaler Ebene) ausgeglichen werden können. Durch Sätze oder Körperhaltungen, die sich die aufstellende Person von den Stellvertretern wünscht (z.B. die Hände der Eltern auf den Schultern, die sagen „Wir stehen hinter dir.“), wird in der coredynamischen Aufstellung Nachnährung und Heilung alter Muster innerhalb des Familiensystems möglich.

Hier weiterlesen

Bernhard Mack, 2001. Gruppendynamik und systemische Familienrekonstruktionen in der CoreDynamik, in: Mack, Bernhard (Hrsg.), CoreDynamik. Wege zum Kern. Paderborn: Junfermann, S. 207-212

Gunthart Weber (Hrsg.), 1998. Praxis des Familienstellens. Beiträge zu systemischen Lösungen nach Bert Hellinger. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag

Albert Pesso, 1999. Dramaturgie des Unbewussten. Eine Einführung in die psychosomatische Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta

Autorinnen dieses Artikels: Christina Hennig und Dr. Conny Stroh

* Gendern in der Sprache: Im Sinne der guten Lesbarkeit finden sich in den Beiträge mal die männliche, mal die weibliche Form für Klient*innen in wechselnder Kombination mit der männlichen oder der weiblichen Form von Berater*innen. Gemeint sind Menschen aller geschlechtlichen Orientierung.